Das Schweizer Radio bemühte sich im April 2021 erstmals um eine vertiefte Berichterstattung zu den wiederholten Vorwürfen an Martin Röösli - ihm werden Voreingenommenheit und Interessenskonflikte bei der Beurteilung von Forschungsarbeiten zur Schädlichkeit von Mobilfunkstrahlung vorgehalten.

Süffiger Titel: Attacke auf den Mobilfunkpapst

Die zweiteilige Sendung war ein exemplarisches Beispiel für eine gleichermassen voreingenommene und darum einseitige und irreführende Berichterstattung zu einem der aktuell umstrittensten gesundheitlichen Themen.

Lesen Sie hier die Stellungnahme von Hansueli Stettler, eingereicht nach der ersten Sendung. Sie führte wie zu erwarten war, zu keinerlei qualitativer Verbesserung der folgenden Sendung; Publikumsreaktionen werden bei SRF offensichtlich nur als Stimmungsbilder entgegengenommen - und gelangen kaum an die Chefredaktion.

Sehr geehrte Frau Caprez,

sehr geehrter Herr von Burg und geehrte Frau Bochsler.

Sie haben um Publikumsreaktionen zur Sendung über Martin Röösli gebeten.

Als mittlerweile hauptberuflicher Mobilfunkfolgen-Forscher komme ich Ihrer Aufforderung gerne nach, und ich habe auch den Eindruck, beim Thema qualifiziert mitreden zu können.

Die Sendung hat möglicherweise neben der Rehabilitierung Martin Rööslis noch ein weiteres hehres Ziel, das ich allerdings nach der Ausstrahlung der ersten Sequenz nicht wirklich erkennen kann.

Vieles ist plakativ und eher salopp – süffig angerissen, wenig ist wirklich vertieft worden. Gemäss dem Konzept Ihrer Sendung wollen Sie Menschen aus der Wissenschaft portraitieren und mit mitreissenden Storys aus der Wissenschaft, interessante und wichtige Geschichten einfach erzählen.

Dies führt in der ersten Staffel zu eindeutiger Schlagseite und – es sei so gesagt – nicht korrekten Informationen. Oder Informationen, die haarscharf neben die entscheidenden Fragen zielen.

  • Die Einführung mit dem Anriss: Attacke auf den Mobilfunkpapst
  • Die «ausländischen Professoren» von denen kaum jemand in Mobilfunkthemen zuständig sei - sie kommen inhaltlich nicht wirklich zu Wort.

(Einschub: auch der Begriff «ausländisch» ist hier mehrfach fehl am Platz und völlig problematisch, vor allem auch, weil es keine industrieunabhängige inländische Forschung gibt. Forschung ist zudem heute generell eine internationale Angelegenheit. Wortwahl: im Kontext sehr problematisch)

Martin Röösli wird in Ihrer Sendung nun als einzige wissenschaftliche Quelle zitiert, was unter diesen Umständen, wo es um nichts anderes als das hohe Gut der körperlichen Unversehrtheit von über 8 Millionen Einwohnerinnen geht, ein grober Fehlgriff ist. Sie lassen ihn beispielsweise – eben doch ganz Papst – rezitieren, dass es noch nie einen Nachweis der Elektrosensitivität gegeben habe. Eine einfache Nachfrage hätte ergeben, dass Röösli hier zugeben muss, dass bei den Experimenten, auf die er sich stützt, jeweils eine einzige Strahlenquelle verwendet wurde. Dies hat mit dem Mobilfunkalltag nichts zu tun; das Beispiel der Frau, die beschreibt wie sie alle 500m eine Welle verspürt, ist von vielen anderen Zeugnissen bekannt. Es werden an den meisten dieser Masten 3, 6 manchmal 9 (oder mit Polycom noch mehr) Frequenzen abgestrahlt. In Schweden ist EHS als Krankheit anerkannt.

Martin Röösli wird keinesfalls «im Internet diffamiert», wie Sie das Radiopublikum glauben lassen wollen, sondern die Demarche aus den Kreisen internationaler Spitzenforscher wurde zuerst an die Bundesämter gerichtet. Diese Wissenschafter sind keine «Mobilfunkgegner» sondern Leute, die ihren Beruf ernst nehmen und die Verantwortung für die Gesundheit der allgemeinen Bevölkerung übernehmen. Röösli darf diesen in Ihrer Sendung unwidersprochen -  vor allem ohne auf deren Argumente einzugehen – wörtlich vorwerfen, es seien irgendwelche Leute mit irgend einem Doktortitel und diese würden sich lediglich profilieren wollen.

Redaktor von Burgs Tenor war, Röösli sei demgegenüber so abgeklärt, weil er seine Verantwortung wahrnehme und zur Aufklärung der Bevölkerung beitrage. Plakativ - und vor allem im vollständigen Widerspruch zu den Aussagend der Gruppe um Hardell. War es das nun, Ihre Botschaft?

Wenn nun Sommaruga oder das BAG auf die Argumente eingegangen wäre, die Debatte geführt hätte, wäre es nie zum Aufstand des «Internet» gekommen –die vollständig abwehrende Antwort hingegen, die keines der Argumente aufnahm, führte erst zur Ausweitung der Debatte.

Hier sei auch angemerkt, dass dieses Thema mehr als ein ganzes Jahr von keinem Leitmedium – auch nicht von SRF - aufgenommen wurde. Dass unter anderem auch Christoph Pfluger das Thema aufgegriffen hatte, ist eine logische Folge davon – seine kritische Herangehensweise sollte gescheiterweise nicht herabgesetzt, sondern die inhaltlich äusserst brisanten Vorwürfe der Forscher sollten sicher diskutiert werden. Von sehr schlechtem Geschmack zeugt, Pfluger als einen der Verschwörungstheoretiker (mit handy?! billigst, war unterste Schublade!) zu brandmarken.

Die Sendung präsentierte Martin Röösli mit schönen Formulierungen, und seine noble Gesinnung als Hitze- Lärm- und Luftforscher wurde durch den Autor ausgiebig gepriesen.

Im zitierten / rezyklierten Einschub aus der Fernsehsendung wiederholte Röösli zudem sein Standart-Argument, dass im Nahbereich einer Antenne häufig kaum grosse Strahlung festzustellen sei. Verwendet hat er dort ein völlig ungeeignetes Messgerät und der Begriff «hohe Werte».... diese Taxonomie ist völlig unwissenschaftlich; es wäre nun nach 30 Jahren ungestörtem Mobilfunkens wirklich an der Zeit, die Debatte auf dem Boden der Tatsachen zu führen: im Nahbereich einer Antenne gibt es natürlicherweise sehr intensive Strahlung, und zwar nicht nur durch Nebenkeulen, sondern auch durch Reflexionen.

https://www.hansuelistettler.ch/images/unfallanalysen/272_M%C3%BCnchwilen_29.05.2016.pdf

Und bei 5G technisch bedingt selbstverständlich noch wesentlich mehr.

https://www.hansuelistettler.ch/images/unfallanalysen/5617_Meilen_11.03.2021.pdf

Eine der Standart-Behauptungen von Röösli ist, 5G habe aus Strahlenschutzfragen Vorteile – weil sie sich nach den Nutzern ausrichte. Sei aus gesundheitlichen Gründen ein Fortschritt, weil die Mobilfunk Nutzenden mehr Strahlung auf sich ziehen würden als die Nicht-Nutzenden. Dem Verursacherprinzip werde dadurch besser nachgekommen, so der Kommentar; in den meisten Fälle sinke die Strahlenbelastung sogar.

Dass dies ist völlig widersinnig ist, können Sie selbst an einem einfachen Alltagsbeispiel eines Bahnperrons mit 5G-Sender anschaulich feststellen: ein eher flach einstrahlender Sender, der beispielsweise einen durchschnittlichen, 300-400m langes SBB-Perron «versorgt», erreicht zu Stosszeiten neben den 200...300 wartenden Handyträgern mit deren 400-900 strahlenden technischen Gerätchen auch 200...300 lebendige Herzen und Köpfe. Und selbstverständlich auch jene der Nichtnutzenden...

Was dann passieren kann, zeigt ein Beispiel:

https://www.hansuelistettler.ch/images/unfallanalysen/4815_Thalwil_22.05.2020.pdf

Martin Röösli wurde in der Vergangenheit bereits angefragt, zu seinen verschiedenen Auslegungspraxen und zu den Vorwürfen in einem öffentlichen wissenschaftlichen Diskurs unter neutraler Moderation Stellung zu nehmen. Er hätte und hat es immer noch in der Hand, diesen Diskurs offen zu pflegen. Das Beispiel der Veranstaltugn St.Gallen war leider genau keine solche Veranstaltung, sondern de fakto ein Podium der Mobilfunkindustrie.

Martin Röösli ist keinesfalls der integre Forscher, wie er nun aus der ersten Sendung hervorgeht. Im Frühjahr 2019 behauptete er fleissig, auch 5G-Strahlung sei ja lange bekannt, sei wie UKW und die anderen bekannten Frequenzen. Damit hat er mittlerweile aufgehört, zu viele Fakten zur Leistung und zum Verhalten dieser disruptiven Strahlungstechnologie sind durchgesickert, zu viele Schummeleien der Betreiber sind bekanntgeworden (50W erp....300Werp...bis hin zu 12000Werp - in Eichberg SG). Und eben, zur reinen Quantifizierung einer Strahlung sollte man ja gemäss NISV diese auch messtechnisch erfassen, darstellen und beurteilen.  Kann man aber immer noch nicht. (Ich gehe mittlerweile davon aus, dass die Betreiber dies auch lieber gar nicht können wollen.)

Martin Röösli verschweigt gerne sogar eigene Fakten, wie jene der Kinderkrebsstudie von Basel. (Risiko für einen lateralen Tumor am Kopf steigt bei Kindern mit eigenem Abo auf über das 5-fache an).

Er hat aufgrund der lauter werdenden Kritik letztes Jahr eine (klitze-kleine!) Sonder-Anstrengung mit dem Sondernewsletter Januar 21 zur Bewertung von Studien mit Krebsvorstufen (ROS) und Mobilfunkstrahlung organisiert. Das Resultat wird aus unerfindlichen Gründen zurückgehalten, es muss uns eine banalisierende Aussage genügen, dass mehr als die Hälfte der untersuchten 20 Studien eine Krebsgenese durch gepulste Strahlung nahelegen. (In den letzten Jahren hat BERENIS geschätzt mehrere hundert solcher Studien jeweils ausgefiltert). Bitteschön: was heisst das nun?!!

Den fachlichen Kritikern können Sie nur gerecht werden, wenn sie deren Standpunkte widerlegen.

Dafür müssten sie sie allerdings auch vertiefter darstellen, was zu Ihrem publizistischen Grundauftrag gehört. Und: reden Sie sich nicht mit dem eingeschränkten Format dieser Sendung heraus. DRS hat in der Reflexion zu Mobilfunk bisher keine serösen Formate im Programm; darum gilt meine Kritik wohl für jede einzelne der DRS/SRF-Sendungen.

 

Gerne ein paar Anregungen:

Hören Sie doch bald mal auf, den Kritikern aus der Bevölkerung reflexartig vorzuhalten, sie hätten diffuse, aber eigentlich unbegründete Ängste. Ich kenne mittlerweile sehr viele solcher Einsprechenden und weiss, dass darunter auch ganz gescheite Köpfe sind; Anwälte, Medizinerinnen, LehrerInnen. Die würden nicht ihr Geld sinnlos verpulvern, wenn sie keinen legitimen und wichtigen Grund sähen, der ungebremsten und weitgehend sinnfreien Expansion Einhalt zu gebieten.

Diese Leute informieren sich häufig auch bei internationalen Medien, die Sie vermutlich nicht kennen. Es ist nie zu spät, sich als Journalist zu informieren:

https://microwavenews.com/news-center/precarious-case-against-precaution

Hinterfragen Sie die Notwendigkeit des IOT. Es ist nicht kompatibel mit unserer Umweltthematik. Autonomes Fahren ist ein Industrie-Märchen und verträgt sich nicht mit einer lebenswerten Welt. https://www.hansuelistettler.ch/images/unfallanalysen/3355_Neuhausen_02.06.2019.pdf

Hören Sie doch einfach auf, im Namen einer bekannt verantwortungslosen Industrie - die im Schutz der unvergleichbaren Komplexität der Thematik und des allgemeinen Nicht-Wissens – irgendwelche Phantasien zu verbreiten.

Überlegen Sie sich, was die RUAG (Bund) mit Elon Musk zusammenbringt. Was der vermüllte Weltraum für uns auf Erden bedeutet.

Machen Sie immer wieder mal den einfachen GRETA®-Test: bringt eine Fragestellung die Welt einen Schritt weiter weg vom Abgrund – oder führt sie darauf hin?

Beim Thema Mobilfunk kennt man übrigens neben der hochgelobten Doppelblind-Studie dutzende andere Untersuchungsmethoden, eines wäre beispielsweise die Beobachtungsstudie. Die im Text angefügten Beispiele stammen aus meiner eigenen langjährigen Arbeit zur Frage: Hat gepulste Strahlung, die bekanntlich auch Hirnstromveränderungen auslösen kann, auch Auswirkungen auf unser Verhalten im Verkehr? Welche? https://www.hansuelistettler.ch/images/unfallanalysen/5388_Geneve_26.11.2020.pdf

Zum PDF
Vom Menschen erzeugte elektromagnetische Felder und oxidativer Stress- Biologische Effekte und Konsequenzen für die Gesundheit

Die bekannte – von den Entscheidungsgremien hochgehaltene - Mauer der Forschung beispielsweise zu Schädigung von standorttreuen Lebewesen wie Bäumen führt zu einer Art von citicen-science, beispielsweise bei der Baumschaden-Beobachtung: https://www.emfdata.org/de/informationen/detail&id=27

Und eine letzte Bitte, von einem, der auch mal Publizistik studierte:

Verwenden Sie keine suggestiven Fragetechniken – MobilfunkkritikerInnen sind nicht verblendete Spinner, die sie irgendwie «überführen» müssen. Es kommt bei den HöhrerInnen immer etwas an, als hätte DRS eine «Mission» - sei im Besitz der absoluten Wahrheit.

St.Gallen 10.4.2021                  Hansueli Stettler

 

Die äusserst belanglosen Antwort des Redaktors:

"besten Dank für Ihr ausführliches Feedback und Ihre vielen Anregungen. Hören Sie mal noch den zweiten Teil der Sendung, der wird am Freitag Abend aufgeschaltet. Einige der angesprochenen Aspekte kommen darin vor. Der fundamentale Graben zwischen ihrem Standpunkt und dem von Martin Röösli wird allerdings nicht überbrückt werden"

 

Darauf noch ein zweiter Anlauf:

Sehr geehrter Herr von Burg

Ich gehe schon davon aus, dass die Sendung ja längst fertig produziert wurde, bin ja nicht naiv. Und ich gehe leider auch davon aus, dass Sie meine Positionen nicht aufgreifen werden. Das ist aber aus verschiedenen Gründen doch sehr schade, auch weil viel im Umbruch ist in diesen Zeiten. Darum soll der Graben auch gar nicht überbrückt werden, sondern es sollten die Positionen der unabhängigen Wissenschaft, der letzten Leuchttürme unserer völlig desolaten Welt, sauber herausgearbeitet werden.

Das werden Sie  vermutlich kaum schaffen in der zweiten Sendung, wenn ich ihre Warnung richtig interpretiere.

Aber die Stellung von Martin Röösli, auch wenn Sie ihn persönlich vielleicht ganz gut mögen, ist nun sicher nicht mehr zu halten. Zu viel hat er mit seinen bekannten, schwurbeligen Positionen zerredet, zu oft nahegelegt, dass zufällig das besprochene Resultat noch nicht genügt, man weiterforschen müsse.

Das Internet übernimmt hier leider auch den lead, den unsere traditionellen Medien längst abgegeben haben.

Und diese Quelle ist keine verschwörungstheoretische, das werden Sie kaum bestreiten können:

https://www.diagnose-funk.org/publikationen/artikel/detail&newsid=1692

Und hier sehen sie ein ziemliches highlight von Rööslis Werbekampagne 2019 für 5G:

www.youtube.com/watch?v=d1xYetJI0mM

Vielen Dank für Ihren konsequenten Einsatz für eine Wissenschaft, die vor allem der Bevölkerung dient.

Hansueli Stettler

 

Zum Nachvollziehen bitte hier lang:

Die beiden podcasts von SRF: Sendung vom 2.4.21  und Sendung vom 18.4.21

Der "Appell an den Bundesrat" - des in der Sendung als "Strassenmusiker" diffamierten - Reza Ganjavi zum aktuellen 5G-Debakel